Die Geschichte der Astronomie, Teil 33

Der erste „freie“ Astronom

Der erste „freie“ Astronom war auch Wissenschaftler und lebte in England, da dort die Wissenschaft, die „sieben freien Künste“, freier und besser gelehrt wurde als im restlichen Europa. So kam es, dass eine Generation von Astronomen noch im Siebzehnten Jahrhundert England eroberte. Zu Beginn war die Astronomie noch nicht mal in London großartig gelehrt, sondern war bisher eher eine Art „Nebenwissenschaft“. Sein Name war Jeremiah Horrocks und dann legen wir mal los.

Von Jeremiah Horrocks ist während seiner Lebens
selbst kein Gemälde erhalten. Bildquelle:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/
c/cf/JeremiahHorrocks.jpg; William Richard Lavender (1877-1915),
Public domain, via Wikimedia Commons

Er lebte zwischen 1618 und 1641 und wurde in Liverpool geboren, einer Stadt, die für damalige Verhältnisse sehr modern war und nicht einmal 1 000 Einwohner zu der Zeit beherbergte, auch wenn die industrielle Revolution noch weit in den Kinderschuhen lag. Horrocks Eltern waren Puritaner, also Leute, die in England erst seit den 1620ern geduldet sind und zu dieser Zeit noch keine öffentlichen Ämter aufgrund deren Haltung zur anglikanischen Kirche ausüben dürfen. Aus diesem Grund waren die Puritaner zu der Zeit eher Händler und Handwerker, also die Leute, die ein wenig mehr Geld in der Tasche hatten. Der Vater seiner Mutter und der eigene Vater waren Uhrenmacher und handelten sie wahrscheinlich noch mit Handelshochburgen Europas, wie zum Beispiel Pest, Antwerpen oder Nürnberg. Seine Eltern nannten ihren 1621 geborenen Sohn Jonah, scheinbar haben sie eine Vorliebe für Propheten aus dem Alten Testament.

Er genoss wegen seinen Eltern und dem örtlichen Geistlichen Richard Mather eine exzellente Schulbildung, sodass er sogar ein Stipendiat mit 14 Jahren zum Emmanuel College in Cambridge aufgenommen wurde, es galt als das puritanischste College unter allen in Oxford und Cambridge. Er schrieb sich für Mathematik ein, was zu dieser Zeit, ähnlich wie die Astronomie, geringgeschätzt wurde und eher bei Händlern, Mechaniker und Kalendermachern im Gebrauch lag, als in Universitäten. Da das College nur sehr auf Theologie aufgelegt war, konnte sich in der Bibliothek nur mit Mühe Schriften über mathematischen Themen oder astronomischen Themen finden. Dennoch hatte er in seiner Zeit am College viele der astronomischen Neuveröffentlichungen studiert. Während seiner Zeit am College in Cambridge korrespondierte er sogar mit dem Londoner Professoren der Astronomie Herbert Gellibrand am Gresham College dort. Er empfahl ihm ein Buch des belgischen Astronoms Philip Lansberg, welches Horrocks kaufte. Mit den sogenannten Lansbergschen Tafeln versuchte er seine eigenen Planetenbeobachtungen in Einklang zu bringen, was allerdings nicht funktionierte.

1635 verließ er aus ungeklärten Gründen das College, es wird spekuliert, ob er wegen zu schlechten Leistungen das College verlassen musste oder ob vielleicht seine astronomischen Studien für ihn interessanter als das Studium wurden. Einige seiner Freunde am College begründeten später die Royal Society, wie zum Beispiel John Worthington und John Wallis. Im selben Jahr kehrte er wieder in seine Heimat zurück und besorgte sich astronomische Geräte, was ziemlich leicht war, da er sich mit Liverpool an einer Hafenstadt befindet.

Neben dem berühmtesten Astronom Omar Khayyam, welchen wir schon bereits behandelt haben, war auch Jeremiah Horrocks ein Dichter:

Göttlich ist die Hand, die zu Uranias Macht triumphierend die Trophäe hob,
die der Menschheit zuerst das wundersame und kunstvolle Rohr schenkte
und mit edlem Wagemut ihre sterblichen Augen lehrte, die entferntesten Himmel abzusuchen.
Ob der Mensch der Sonnenbahn folgen will oder die nächtliche Wanderung des hell leuchtenden Mondes beobachten;
noch nie zuvor wurde ihm solcher Führer von Jupiter gesandt, keine Hilfe, die im hellsten Licht solche Geheimnisse enthüllte.
Kein Mensch soll mehr mit angestrengten Augen vergebliche versuchen, die Sterne zu erfassen.
Gesegnet mit diesem Instrument sollst Du den Mond vom Himmel herunterholen
und unsere Erde und jeden Himmelskörper an seinem eigenen Platz verorten, wo er seine Bahn erhaben zieht.

Jeremiah Horrocks

Er schloss im Jahr 1636 eine Freundschaft mit dem Amateurastronomen William Crabtree. Er arbeitete in Broughton bei Manchester und empfahl ihm die 1628 veröffentlichten Rudolfinischen Tafeln des Johannes Keplers, die er bereits kannte. Sie waren wesentlich präziser und brachten schlussendlich auch den Erfolg. Es vergingen jedoch in diesem Zeitalter noch mindestens acht Jahre von der Veröffentlichung des Keplers bis zur Nutzung von den ersten Astronomen in Großbritannien.

Im Sommer des Jahres 1639 verließ Horrocks sein Haus in Toxteth, die Ortschaft nahe Liverpool, und zog aus ebenfalls ungeklärten Gründen Much Hoole, bestätigt dadurch, dass seine Briefe ab da an nach Much Hoole geschickt wurden. Es wird angenommen, dass ihm eine neue Stelle als häuslicher Lehrer oder vielleicht als Hilfspfarrer angeboten wurde. Much Hoole liegt ungefähr 29 km nördlich von Liverpool. Much Hoole war allerdings eher ein Bauersdorf, es sollen Hühner und Schweine rumgelaufen sein, die Häuser waren nur niedrig gebaut und Törföfen brannten in den Häusern.

Planetenbahnen studierte Horrocks jahrelang und stellte dabei fest, dass wenn die Venus in ihrer unteren Konjunktion (wenn die Venus etwa auf einer Linie zwischen der Erde und der Sonne steht), es auch zu einem Transit kommen kann, also dass die Venus vor der Sonne aus der Perspektive der Erde entlangläuft. Dies haben wir schon im letzten Eintrag genauer betrachtet. Jedenfalls berechnete Horrocks auch einen Venustransit für den 24. November 1639 (greg.: 04. Dezember) gegen 15 Uhr, wobei seine Berechnungen zeigten, dass der Venustransit vielleicht schon früher eintreten könnte. Deshalb begann er mit der Sonnenbeobachtung ab Mittag dem 03. Dezember. Doch am Vortag gab es keine Spur von der Venus also nahm er an, dass seine Berechnungen korrekt waren und er erst am Nachmittag des 04. Dezembers den Venustransit beobachten würde. Er kontaktierte William Crabtree und seinen Bruder, falls Wolken aufziehen.

Er wurde aufgrund dringender Angelegenheiten (unbekannt was genau für welche) für eine kurze Zeit verhindert und war somit erst etwa kurz nach 15 Uhr für den 04. Dezember wieder für die Observation da. Zu dem Zeitpunkt war bereits die Venus vor der Sonne und er konnte sie also auch gut als eine Art schwarzes und kreisförmiges Loch vor der Sonne wahrnehmen. Weil er Angst hatte, dass seine Beobachtungen als Sonnenfleck ausgelegt werden, hat er seine Beobachtungen äußerst detailliert beschrieben und Messungen des Winkeldurchmessers der Venus durchgeführt. Er schätzte ihn auf 72 Bogensekunden mit einer Fehlertoleranz auf etwa 4 bis 5 Bogensekunden. Der tatsächliche Winkeldurchmesser betrug laut Stellarium etwa 63 Bogensekunden. Er fertigte drei Zeichnungen für den Stand um 15:15, 15:35 und 15:45 an. Die Venus war immer noch nah am Rand der Sonne als Horrocks seine Beobachtungen wegen dem Sonnenuntergang abbrechen musste. Auch um 15:35 konnte William Crabtree in Broughton die Sonne mit der Venus für einige Minuten beobachten und so wertvolle Beobachtungen machen.

Jeremiah Horrocks benutzte diese Beobachtungen von den beiden und verfasste daraus einen Bericht und interpretierte seine Beobachtungen und berechnete die Umlaufbahn der Venus genauer als zuvor und schätzte den Winkeldurchmesser gut ab, wenn die Venus und die Erde sich am nächsten stehen. Basierend darauf, berechnete er die Entfernung Venus – Erde und versuchte daraus die Größe des bis dahin bekannten Sonnensystems zu berechnen. Dazu benutzte er noch die Daten des Merkurtransits von Pierre Gassendi.
Gassendi beobachtete am 07. November 1631 als vermutlich erster Mensch de Welt einen Planetentransit, genauer eben den Merkurtransit, der von Johannes Kepler selbst vorherberechnet war.

Eine komischere Leistung war seine Theorie, dass von der Sonne aus alle (bis dahin bekannten) Planeten denselben Winkeldurchmesser aufweist, wobei ihm selbst klar war, dass das mit dem Mars zum Beispiel nie funktionieren könnte, weil er erstens weiter von der Sonne ist als die Erde und zweitens sogar noch kleiner als die Erde ist.

Durch den Venustransit konnte Horrocks auch die Parallaxe der Sonne bestimmen. Die Parallaxe ist die scheinbare Verschiebung eines Objektes relativ zum Hintergrund durch eine eigene Bewegung. Also wenn z.B. ein naher Fixstern im Januar an einer Stelle relativ zu den anderen Fixsternen am Himmel steht, dann bewegt er sich relativ dazu um ein kleines Bisschen. Vermutlich hat er geprüft, was für eine Bewegung die Venus relativ zur Sonnenscheibe macht und dann, wie die der Sonne ist, oder über die Bewegung der Erde (scheinbar die Sonne) und die der Venus verglichen mit der Sonne. Oder vielleicht die Venus als bekannter bewegender Punk von zwei Orten auf der Welt verglichen mit der Sonne.
Er stellte seinen Wert mit den Werten von Astronomen vor ihm auf:

Es liegt übrigens an methodischen Schwierigkeiten, dass die Werte für die Sonnenparallaxe alle größer waren als heute, denn man hatte z.B. auch sehr oft geschaut wieviel Grad Abstand der Mond zur Sonne hat, wenn Halbmond ist, weil der Winkel kleiner als 90° sein muss, sonst wären wir unendlich weit von der Sonne weg. Da man aber durch die ganzen Gebirge und Krater auf dem Mond nicht genau ermitteln kann, wann exakt Halbmond ist, gibt es da einige Genauigkeitsprobleme mit dieser Methode.

Horrocks verstand, dass Ptolemäus seine Theorien über die Welt und das Sonnensystem sehr umständlich sind und sich damit höchstens Finsternisse erklären lassen. Horrocks entwickelte das Heliozentrische Weltbild maßgeblich weiter. Er begriff, dass die Planeten wie die Erde in Ellipsen, bzw. Kegelschnitte die Sonne umlaufen und dass das Erde-Mond-System genauso aufgebaut ist. Er berechnete die Mondbahn allerdings schon als Ellipse um die Erde, die allerdings von der Sonne gestört wird und somit alljährlich die Mondbahn einmal in alle Richtungen gezogen wird. Über ein Jahrhundert lang wurde diese Formeln für die Mondbahnberechnung genutzt und selbst der spätere Direktor der Royal Society, John Flamsteed, und seine Nachfolger nutzten sie.

Am 03. Januar 1641 starb er plötzlich und unerwartet. Er hinterließ viele Schriften, welche jedoch in den Wirren des britischen Bürgerkriegs 1641 bis 1649 zu einem großen Teil verloren wurden. 1662 konnte jedoch sein Bericht über den Venustransit posthum veröffentlicht werden.

Quellen:

Ein Gedanke zu „Die Geschichte der Astronomie, Teil 33“

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