Mizar und Alkor

Vierfachsternsystem oder Sechsfachsternsystem

Wahrscheinlich habt ihr schon alle beim Großen Wagen, der selbst nur ein Asterismus im Sternbild des Großen Bärs ist, beim zweiten Stern vom Anfang des Schwanzes ausgehend einen Begleiter in unmittelbarer Umgebung gesehen. Der lichtschwächere Stern Alkor ist tatsächlich etwa 2 Größenklassen dunkler als der größere Stern Mizar. Mizar bildet ein Doppeldoppelsternsystem, also zwei Sternpaare umkreisen sich, jedoch ist Alkor nochmals ein Doppelstern.

*wobei einige ältere Quellen zwischen 0,5 und 1,5 Lichtjahren vermuten und neuere Quellen zwischen 0,17 und 0,55 LJ und die meisten aktuellen und guten Daten um 0,28 LJ liegen.

Die bläulich markierten Felder sind Schätzungen mit Fehlerquoten der Schätzungen von mir, auf Basis von ähnlichen Sternen. Die grünliche Schrift sind eigene Berechnungen aus den anderen gegebenen Daten. Die tatsächliche Datenlage scheint zwar noch ein wenig inkomplett zu sein, zumindest sind die Angaben stimmig.

Mizar

Mizar ist streng genommen laut der WGSN (Working Group on Star Names) der IAU (International Astronomical Union) nur der Name für den visuellen Doppelsternpaar Mizar A. Das zahlenstarke Sternenpaar liegt nur ungefähr 83 bis 86 Lichtjahre weit weg, ermittelt aus seiner Parallaxe von ungefähr 38 Millibogensekunden, also wenn die Erde im Januar zu Juli zweimal die Distanz zur Sonne bei beiden Ständen entfernt ist, „bewegt“ sich Mizar scheinbar circa 38 Millibogensekunden von seiner jeweils anderen Position am Himmel und dadurch leitet sich seine Entfernung ab, wobei die englische Wikipedia von 39,4 Millibogensekunden spricht. Mizar hat eine Helligkeit von 2,05 mag, davon bei Mizar A eine Helligkeit von 2,23 mag und Mizar B eine von 3,88 mag.

Was gibt es noch über Mizar zu sagen? Mizar A hat ein Spektrum von A1Vp und Mizar B ein Spektrum von Am. Das Doppelsternpaar Mizar A ist also im oberen Bereich des A-Typs, wobei noch zwei Klassen über dem A-Typ stehen. Das V bei A1Vp zeigt an, dass es sich um ein Hauptreihenstern handelt, also dass der Stern im ersten Stadium seines Lebens steht und das p nach dem V steht für „chemisch pekuliär“ (d.h. chemisch verschieden). Mizar B hat ein Spektrum von Am und ist somit ein „Am-Stern“ und ebenfalls chemisch pekuliär. Am-Sterne haben eine Klassifikation von meist um die A8V. Mit dem A-Typ als Spektralklasse von Mizar A, was vermutlich nur auf Mizar Aa zutrifft, ist eine Masse von ca. 3 bis 3,5 Sonnenmassen üblich. Die Studie Stellar Astrophysics With A Dispersed Fourier Transform Spectrograph. Ii. Orbits Of Double-Lined Spectroscopic Binaries aus November 1998 von Hummel et al. spricht von einer Maße des Gesamtsystems Mizar A von ca. 4,4 bis 4,5 Sonnenmassen, wobei auf Aa 2,22 Sonnenmassen und auf Ab 2,24 Sonnenmassen fallen, womit beide Systemmitglieder des Mizar-A-Systems ähnlich schwer wären. Sie teilen sich auch andere Eigenschaften. Sie besitzen etwa eine effektive Oberflächentemperatur von ca. 9000 K und einen Radius von 2,4 Sonnenradien, das wären ca. 1,7 Millionen Kilometer. Die Leuchtkraft wird auf 30 bis 45 Sonnenleuchtkräfte geschätzt. Aa und Ab sind maximal nur 9,83 Millibogensekunden oder 54 Millionen Kilometer entfernt. Die beiden brauchen ca. 20,5 Tage, um sich gegenseitig auf einer hochelliptischen zu umkreisen.

Jetzt haben wir schon über Mizar A viel geredet, aber noch nicht so viel über Mizar B. Also nun über Mizar B. Mizar B beschriebt einen Orbit zusammen mit Mizar A, denn sie sind ja zwei Doppelsternpaare. Er kann im Teleskop scharf von Mizar A getrennt werden, denn sie haben einen Abstand von 14,4 Bogensekunden am Nachthimmel. Was nur nach so wenig aussieht, täuscht, denn: Mizar A und B umkreisen sich in einem Abstand von etwa 380 AE! Licht selbst braucht für 380 AE im Vakuum mehr als zwei Tage, deshalb ist auch die Rede analog zum Lichtjahr von „Lichttag“. Selbst die Voyager-1-Raumsonde müsste dafür noch ca. anderthalbmal so weit fliegen. Mizar Ba hat eine Masse von ungefähr 1,8 Sonnenmassen und ist der besagte Am-Stern, denn die noch spezifischere Spektralklasse von kA1hA2mA7IV-V besagt, dass die Kalzium-Linien (k) auf dem Niveau eines A1-Sterns sind, während Wasserstoff „h“ auf dem Niveau von A2 liegt und sonstige Metall-Linien „m“ auf A7. Das IV-V besagt, dass Ba sich zwischen der Hauptsternenreihe und der Unterriesen. Unterriesen bilden den Übergang zwischen der Hauptsternenreihe und den Roten Riesen. Das interpretiere ich mal so, als ob Mizar Ba nicht mehr lange braucht, bis er ein Roter Riese werden wird. Vielleicht sind es noch 5 Millionen Jahre, oder auch noch 50 Millionen. Ba hat eine Effektive Oberflächentemperatur von ungefähr 8 425 Kelvin, was etwa einem hellen Blau entspricht.

Über Bb weiß man fast gar nichts, das Licht von Ba überstrahlt jenes von Bb. Dennoch brauchen sie fast ein halbes Jahr, da sie 29,849 mas, also knapp 30 Millibogensekunden oder eine halbe Bogensekunde auseinanderstehen. Bb soll eine Masse von 0,25 bis 0,65 Sonnenmassen besitzen und wäre damit ein Roter Zwerg.

Unten links ist Mizar A und B zu sehen, oben rechts Alkor und über Mizar der Stern Sidus Ludoviciana, zu dem unten mehr. Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/36519414@N00/2810025353/; Thomas Bresson / CC BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Alkor

Alkor ist der schwächere optische „Begleiter“ von Mizar und ist schon mit dem bloßen Auge von Mizar zu trennen. Er ist ebenfalls ein Doppelsternsystem, welches aus Alkor A und Alkor B besteht. Alkor A ist ein Stern der Spektralklasse A5Vn. Das n hinten dran bedeutet, dass die Spektrallinien des Sterns diffus sind. So hat Alkor A eine Masse von ungefähr 1,84 Sonnenmassen, eine Leuchtkraft von etwa 13 bis 14 Sonnenleuchtkräften mit einer Effektiven Oberflächentemperatur von 8 030 Kelvin. Das Sternsystem von Alkor liegt etwa 81,7 Lichtjahre weit weg und die Entfernung konnte auf 0,266 Lichtjahren genau bestimmt werden. Also ein Stern ähnlich Mizar Ba, ohne besondere Spektrallinien. Alkor hat eine Helligkeit von 4,01 mag, sein Begleiter Alkor B eine Helligkeit von 8,8.

Alkor B ist fast noch interessanter, Alkor B ist ein Roter Zwerg der Spektralklasse von M3 und wurde tatsächlich erst 2009 entdeckt und 2010 veröffentlicht, da dieser Rote Zwerg nur eine Magnitude von 8,8 hat und sogar noch eng an Alkor A gebunden ist. Ursprünglich ging von Alkor eine Röntgenstrahlung von ungefähr 2 × 1021 Joule abging, was eigentlich kaum sein kann, da A-Sterne in der Regel keine Röntgenstrahlung abstrahlen dürften. Alkor B dürfte etwa ein Viertel der Masse der Sonne aufweisen.

Mögliche Verbindung zwischen Mizar und Alkor

Mizar und Alkor gehören zu der Ursa-Major-Sternenassoziation, es ist eine Bewegungsgruppe von Sternen im Großen Bär, in der unter anderem die Sterne des Großen Wagens außer Alkaid und Dubhe dazugehören, aber auch andere Prominente Sterne wie Adhafera im Sternbild des Löwen und Kapella, der Hauptstern in Auriga. Äußerst viele Sterne dürften sich aufgrund der Menge der Ablagerungen schwerere Elemente nach Helium vor ungefähr 300 Millionen Jahren gebildet haben. Die Sterne der Gruppe haben Entfernungen von ca. 75 bis 85 Lichtjahre und sind damit die nahestehendste Sternbewegungsassoziation. Der „Bewegungshaufen“ bewegt sich durchschnittlich mit 14 km/s in Richtung Sternbild Schütze (von den Himmelskoordinaten her) und relativ zur Sonne etwa 29 km/s. Der Strom war einmal ein Offener Sternhaufen, ist aber in den letzten 50 Millionen Jahren auseinandergedriftet. Also ein sehr offener Offener Sternhaufen, he he.

Der Asterismus “Großer Wagen” im Sternbild Großer Bär, Ursa Majoris, Bild aus SpaceEngine. Der Zweite von links ist Mizar mit dem “Reitersternlein” Alkor.

Da Mizar und Alkor nicht nur in einer Bewegungsassoziation sind, sondern auch sehr nah zueinander, der Abstand handelt sich um 0,36 ± 0,19 Lichtjahre, die Unsicherheit dahinter ist groß, weil die genaue Entfernung nicht bekannt ist, da die Unsicherheit hierüber auch ein paar Lichtjahre betrifft, wird darüber nachgedacht, ob Alkor und Mizar möglicherweise gravitativ gekoppelt sind, ähnlich wie Alpha Centauri und Proxima. Die Sachlage ist dahingehend ungewiss, es gibt einige Hinweise, jedoch ist man sich an dem Punkt nicht sicher, ob sie tatsächlich was zu tun haben, auch wäre die gemeinsame Umlaufgeschwindigkeit sehr winzig, um entdeckt zu werden. Meine eigene Meinung ist, dass nur einigermaßen wahrscheinlich ist, dass sie gravitativ gebunden sind, da die beiden Sterne keine zu ähnliche eigene Bewegung haben, wie oben in der Tabelle gezeigt.

Der andere Stern

Im Mizar–Alkor-Gespann gibt es allerdings noch einen weiteren Stern. Er heißt inoffiziell „Sidus Ludoviciana“, was in Latein so viel heißt, wie „Ludolfs Stern“, welcher der Landgraf Louis VIII. von Hessen-Darmstadt war und vom deutschen Astronom Johann Georg Liebknecht am 02. Dezember 1722 „wieder“entdeckt und so benannt wurde, denn zuvor hatte Benedetto Castelli im Jahr 1616 einen Stern auf derselben Position beobachtet. Sidus Ludoviciana hat eine Helligkeit von 7,58 mag und ist ein Roter Riese (aber in weißblau) mit dem Spektrum A8III.

Tatsächlich ist dieser Stern kein Stern der Bewegungsassoziation und gar nicht mal in der Nähe, sondern einige Male weiter weg als Mizar und Alkor zu uns. Die genaue Entfernung beträgt laut der SIMBAD ziemlich genau 300 Lichtjahre (300,4 ± 0,8 LJ)

Quellen:

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