OTRAGs gewaltiger Fehlschlag 2/2

Nach dem Fehlschlag

Der Dritte und verheerende Start von OTRAG.

Von dieser Aufbruchstimmung war innerhalb von wenigen Momenten fast nichts mehr übrig. Doch das Schlimmste war laut dem späteren OTRAG-Chef Wukasch, dass Mobutu vier Stunden zu spät zum Start kam und die ätzende Salpetersäure bereits die Dichtungsringe angegriffen haben muss.

Das interessierte natürlich auch stückweit die Supermächte und besonders jetzt im Kalten Krieg. So starteten Lobbyisten und Geheimdienste mit vorgehaltener Hand undurchsichtige Kampagnen gegen das Start-up: Machte Lutz Kayser mit seinen Raketen das europäische Raumfahrtprojekt der Trägerrakete Ariane zunichte, das Frankreich besonders interessierte? Waren die Starts von OTRAG in Zaire ein Versuch von Deutschland Raketen herzustellen, vielleicht sogar mit militärischen Zwecken? Oder noch besser: Baute OTRAG heimlich für Deutschland Atomwaffen? Rüstete West-Deutschland sich wieder auf?

Die Sowjets schickten ihre Aufklärungsflugzeuge nach Zaire; Rebellen aus Angola setzten ihre Milizen in Marsch und Frankreich und die Staaten entsandten Spione. Der Weltraumbahnhof wurde nun zum Dreh- und Angelpunkt der Weltmächte.
Kayser selbst heuerte nun Söldner aus der französischen Fremdenlegion an und bildete seine Mitarbeiter im Wachschutz aus. Spätestens jetzt übernahm die diffuse Angst der Aufbruchstimmung.

OTRAGs Niedergang

Im Sommer 1979 ahnte man noch nichts, aber an jenem Tag sollte der politische Druck noch mehr wachsen. Im Sommer 1979, auf einer Schlauchboot-Tour auf dem Luvua-Fluss, der ja den Plateaus von u.a. der Startbasis umgibt, kamen sieben deutsche OTRAG-Mitarbeiter ums Leben. Sie stürzten augenscheinlich etwa einen 30 Meter hohen Wasserfall runter. Schnell verbreiteten sich wieder Verschwörungstheorien: War es ein Mordanschlag, möglicherweise durch sowjetische Hand? Die letzte Warnung der Supermächte an Kayser? Oder waren es die angolanischen Terroristen? Der Fall wurde natürlich nicht geklärt. OTRAG flog die Leichen nach Deutschland zurück.

Wegen des großen politischen Druckes durch die internationalen Anspannungen des Kalten Kriegs kündigte Mobutu den Vertrag mit Kayser. Dessen Weltraumunternehmen fand in Libyen, am der Oase Sebha einen neuen Ort. Sie starteten von dort aus, unter Verschluss natürlich, etwa 80 weitere Raketen, deren Erfolg unbekannt ist, wegen dieser strengen Geheimhaltung. 1982 wurde Lutz Kayser nach Hause geschickt und Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi übernahm die Raketenversuche. Doch auch diese Tätigkeit wurde eingestellt.
1986 beendete OTRAG schließlich ihre Geschäftstätigkeit und war damit gescheitert.

War es deren Motto „Low Cost“, was vielleicht doch nicht so einfach zu erreichen war? Oder lag es an der heiklen politischen Situation, die die OTRAG unter einem Druck zerbröseln ließ? Es war sicher beides irgendwie.

Das was OTRAG zurücklässt

Ulrich Walter, einer der bekanntesten Raumfahrt-Gesichter aus Deutschland, auch ehemaliger Wissenschaftsastronaut und jetzt Professor an der TU München, meint:
„Prinzipiell können Raketen wie die von OTRAG funktionieren. Allerdings: Wenn ich viele Triebwerke bündle, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eine oder mehrere Triebwerke ausfallen. Dann ist die Rakete kaum mehr zu steuern.“
Von diesem Problem wussten damals auch die OTRAG-Techniker und montierten zu jedem Triebwerk ein Sensor, der sobald ein Ausfall festgestellt wurde, das achsensymmetrisch gegenüberliegende Triebwerk mit einem Computer auch ausschaltet. Dazu meint Walter jedoch:
„Auch Sensoren funktionieren oft nicht oder zeigen falsch an. Das Problem bei gebündelten Antrieben besteht darin, die Ausfallkomplexität in den Griff zu bekommen. Unmöglich ist das nicht, […]“
Nach seiner Kenntnis arbeitet deswegen weltweit gerade niemand mit diesem OTRAG-Konzept.

Lin Kayser arbeitet bei Hyperganic AG und stellt rein zufällig die Software für die 3D-gedruckten Triebwerke von Isar Aerospace her, dessen Onkel rein zufällig Lutz Kayser war.

Lutz Kayser auf Bikendrik.

Lutz Kayser verweilte von 2007 bis zu seinem Tod im November 2017 auf Bikendrik Island, die er für 99 Jahre gepachtet hat.

Filmtipp: „Fly Rocket Fly“ von Oliver Schwehm https://otrag.com
Inhaltliche Quelle (auch vom ersten Teil): 419058440450210; P.M. von 10/2019
Weblink: https://petermichaelschneider.com/2017/12/07/zum-tode-von-lutz-kayser-der-elon-musk-der-70er/
Bildquellen: https://www.linkayser.com/2017-11-286 und https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.lutz-kayser-stirbt-auf-einer-einsamen-pazifikinsel-der-stuttgarter-raketenmann.0e8425cd-f812-4c6d-99ea-eb37024613be.html?reduced=true

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert